Donnerstag, Juni 18, 2009

Unsere Liebe Frau von Oberdorf, Solothurn

Unsere Liebe Frau von Oberdorf SO


Wallfahrtskirche Oberdorf SO

Ursprung und Alter der Oberdorfer Wallfahrt sind nicht bekannt. Wurde sie von Lommiswil übernommen? Welches Gnadenbild wäre vor der Zerstörung, 1375, verehrt worden? Die sitzende Madonna von Oberdorf entstand in der Zeit des Kirchenbaus, um 1420. Dieser war aber offensichtlich wegen der zunehmenden Wallfahrt notwendig geworden. Noch ungelöste Fragen! Die Erlasse des Konzils von Basel (1431-1437) über die Marienverehrung gaben der Wallfahrt neue Impulse, besonders als 1447 - verbunden mit einem Ablass - hohe Konzils-Teilnehmer die Kirche besuchten.
1457 ist erstmals offiziell eine Prozession des Stiftskapitels und der Pfarrei St. Ursen in Solothurn erwähnt. Von jetzt an fand sie alljährlich statt. Doch verzeichnete der Solothurner Chronist Franz Haffner für das Jahr 1453: "Umb dise Zeit wohnte nur ein Bruder zu Oberdorff / den liesse die Obrigkeit graw bekleyden". Papst Pius II. erteilte 1462 allen, die an Weihnachten, Mariae Verkündigung und an Kirchweih "diese Kirche andächtig besuchen und zu ihrer Erhaltung und Ausschmückung ein Almosen spenden, einen Ablass auf ewige Zeiten".
Nach der Reformation erlahmte das kirchliche Leben und auch die Wallfahrt, obwohl Solothurn beim alten Glauben blieb. Erst nach dem Tridentiner Konzil (1545-1563) setzten wieder Stiftungen ein. Der bekannte Solothurner Stadtschreiber Hans Jakob vom Staal erreichte in Rom von Papst Clemens VIII. ein Privileg, das die Wallfahrt mit einem Schlag wieder aufleben ließ: alle, welche "wegen Alter, Mangel an Zeit, Armut, körperlicher Schwäche, Kränklichkeit oder andern Ursachen an einer Wallfahrt nach Einsiedeln gehindert sind", konnten "in Oberdorf die nämlichen Gnaden und Ablässe erhalten". So wurde Oberdorf zum "solothurnischen Einsiedeln".
Nachdem die neue Kirche zu Anfang des 17. Jahrhunderts vollendet war, hatte "die vorige Wallfahrt sowohl als der Orth täglichen Miraculn halb allzeit stärcker zugenommen" (Haffner-Chronik). Zu dieser Zeit nahm auch der Pfarrherr ständigen Wohnsitz in Oberdorf. Eine vom Papst erlaubte Verlegung des serbelnden Klosters Beinwil nach Oberdorf (zwecks besserer Betreuung der Wallfahrt) kam nicht zustande. Mariastein erhielt den Vorzug. Dafür stiftete Altrat Urs Gibelin mit andern Patriziern 1648 die Kaplanei, nach dem Ratsmanual "zu Hülff des Pfarrherren... betrachtend den grossen Zulauff des inheimbschen und frembden Volkes zu disem gnadenreichen Orth". Zwei Jahre zuvor war - zu Ehren des Mutttergottes-Altars - die Rosenkranz-Bruderschaft errichtet worden. Ende 18. Jahrhundert kamen noch zwei neue Bruderschaften hinzu.
Doch im turbulenten 19. Jahrhundert ging die Wallfahrt, wie nach der Reformation, stetig zurück, und im Kulturkampf 1874 wurden die Bittgänge abgeschafft. Das kirchliche Leben schwand mehr und mehr. Erst in neuerer Zeit hat, wie anderswo, die Oberdorfer Wallfahrt wieder eingesetzt. Und zu den Gläubigen, die hier Trost und Hilfe suchen, gesellen sich, seit der gediegenen Restaurierung der Kirche, immer mehr Kunstfreunde.

Aus: Gottlieb Loertscher: "Pfarr- und Wallfahrtskirche Oberdorf SO" - Schweizerische Kunstführer - Herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte.

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