Sonntag, Mai 13, 2007

St. Pelagiberg - ein Berg der Gnade



Bei den meisten gläubigen Christen dürfte „Pelagius“ zunächst keine guten Gedanken wachrufen: Gab es nicht im 5. Jahrhundert einen Häretiker namens Pelagius, berühmt dafür, daß er – sehr vereinfacht gesagt – die Gnade auf die Seite schob und eine Art Selbsterlösung des Menschen, ein tugendhaftes Leben aus eigener Kraft lehrte? Tatsächlich ist dieser Pelagius bis heute der prominenteste Vertreter seines Namens geblieben.
Bei nicht wenigen Katholiken auf der Schweizer Seite des Bodensees aber weckt „Pelagius“ zuallererst gute Assoziationen. Der Name steht hier für einen anderen Mann der frühen Kirche, einen Martyrer des 3. Jahrhunderts, der in der Konstanzer Region und im Schweizer Kanton Thurgau besondere Verehrung genießt. Im Jahr 904 nämlich brachte Bischof Salomon III. von Konstanz die sterblichen Überreste dieses Heiligen in seine Bischofsstadt. Dort wird er in der Krypta der Münsterkirche, nahe beim heiligen Konrad, aufbewahrt. Einige weitere Reliquien des heiligen Pelagius übergab Salomon III. dem reichen, in der Nähe von St. Gallen gelegenen Stift Bischofszell. Zu dessen Besitztümern zählte damals auch jener Weiler, der inzwischen schon recht lange den Namen des Martyrers trägt: St. Pelagiberg.
Ob man von St. Gallen, von Gossau oder Bischofszell her St. Pelagiberg ansteuert, immer erblickt man schon aus einiger Entfernung den Hügel, den die weiße Pfarr- und Wallfahrtskirche krönt. Sie ist allerdings nicht, wie man wohl erwarten dürfte, ein Heiligtum des Martyrers Pelagius, vielmehr eines der Jungfrau und Gottesmutter Maria. Wer das Heiligtum betritt, sieht über dem Altar eine kunst- und liebevoll bekleidete Statue der Schwarzen Madonna, derjenigen zu Einsiedeln nicht unähnlich. Das St. Pelagiberger Gnadenbild stammt vermutlich aus dem 13. Jahrhundert und ist nicht nur selten Zeuge flehentlicher Gebete geworden, die dann auch Erhörung fanden.
Nahe der Kirche steht das imposante Kur- und Exerzitienhaus, das seinem Namen „Marienburg“ alle Ehre macht. Die Schwestern vom Kostbaren Blut, entsandt von ihrem Mutterhaus in Schellenberg (Fürstentum Liechtenstein), bewirtschaften es mit Frömmigkeit und Fleiß.
Und nun eine weitere Besonderheit des Ortes: Hier ist die überlieferte Form der römischen Heiligen Messe immer lebendig geblieben; tagtäglich können die Gläubigen ihr in der Marienburg wie in der Pfarr- und Wallfahrtskirche beiwohnen. Dafür ist – nach Gott und der mächtigen Fürsprecherin an Seinem Thron – vor allem dem 1999 verstorbenen, hochverdienten St. Pelagiberger Pfarrer Alfons Ringer und den Schwestern zu danken.
Die Priesterbruderschaft St. Petrus ist St. Pelagiberg seit ihrer Geburtsstunde verbunden. Priester und Seminaristen haben sich hier ungezählte Male zu Exerzitien (als Exerzitienmeister ebenso wie als Exerzitanten), zu Versammlungen und zu ganz persönlicher Einkehr eingefunden. Auch die Aufgabe des Hausgeistlichen der Schwestern wurde über viele Jahre hin von Mitgliedern unserer Gemeinschaft besorgt; heute ist ein Priester der Erzdiözese Vaduz mit diesem Amt betraut. Als Pfarrer Ringer schwer erkrankte und aus dem pfarrlichen Wirken ausscheiden mußte, übernahmen Priester der Bruderschaft St. Petrus einen erheblichen Teil der Seelsorge an der Wallfahrtskirche. So ist es bis jetzt geblieben.
Mit Blick auf das kirchliche Leben gibt St. Pelagiberg zu viel Freude Anlaß. Es seien hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Schlaglichter geworfen:
Während der Mangel an Gottesdienstbesuchern andernorts Sorgen macht, insbesondere kaum junge Gesichter zu sehen sind und die Beichtstühle verwaist dastehen, braucht man auf dem St. Pelagiberg derartige Krisenerscheinungen nicht zu beklagen. Sonntags, aber auch werktags finden sich zahlreiche Gläubige aus der Region zur heiligen Messe ein. Der Priester bekommt im sonntäglichen Amt zuweilen den (allerdings nicht ganz zutreffenden) Eindruck, er habe an der Kommunionbank fast ebenso oft das Kreuzzeichen auf eine Kinderstirn gemacht wie den Leib Christi dargereicht. Das – zumal in der Schweiz – weithin „verlorene Sakrament“ (Kard. Höffner), die Beichte, gehört auf dem St. Pelagiberg zum täglichen Leben. Die Sühnenacht am ersten Samstag im Monat mußte von der Hauskapelle der Marienburg in die Pfarr- und Wallfahrtskirche verlegt werden, weil die Anzahl der Teilnehmer den früheren Rahmen sprengte.
Gut besucht sind auch die wöchentlichen Kinderkatechesen. In vier Altersgruppen unterteilt, sollen die Teilnehmer von den Anfangsgründen der Glaubenslehre über die Sakramente der Buße, Kommunion und Firmung zur Reife weitergeführt werden. Die Kinder und Jugendlichen können sich auch in der stattlichen Schar der Ministranten und bei den Pfadfindern des Feuerkreises St. Niklaus von der Flüe, die monatlich auf dem St. Pelagiberg zusammenkommen, engagieren. Nun gilt es, auch das Angebot für ältere Jugendliche und junge Erwachsene anzureichern.
Monatlich trifft sich die „Regionalgruppe Thurgau“ der in der Schweiz sich stetig ausbreitenden, segensreichen „Marianischen Frauen- und Müttergemeinschaft“ zu heiliger Messe und Vortrag auf dem St. Pelagiberg. Auch für die Männer sollte es bald etwas Vergleichbares geben. Der religiösen Vertiefung dient seit Oktober ein Kreis, in dem unter priesterlicher Leitung die Heilige Schrift gelesen wird; er hat einen unerwartet lebhaften Zuspruch erfahren. Selbstverständlich wird in einer solchen Gemeinde auch zur Ehre Gottes und zur Verschönerung der Liturgie gesungen. Dem traditionsreichen mehrstimmigen Chor konnte vor kurzem eine Männerschola an die Seite gestellt werden.
Nicht zu vergessen: Die Marienburg ist weiterhin nicht nur Kur-, sondern auch Exerzitienhaus. Regelmäßig erteilen Priester der Bruderschaft St. Petrus hier Ignatianische und thematische Exerzitien. Ein Apostolat, das weite Kreise zieht.
Mag der Name „Pelagius“ auch allgemein mit dem Pelagianismus in Verbindung gebracht werden, mit dem Versuch also, die göttliche Gnade durch das menschliche Werk unnötig zu machen: Der St. Pelagiberg legt als Heiligtum der Schwarzen Madonna, als Stätte lebendiger liturgischer Überlieferung, erfüllten Betens und häufigen Beichtens dennoch ganz augenscheinlich Zeugnis von den weder verdienten noch überhaupt verdienbaren Liebesgaben unseres Herrn und Erlösers ab. Er ist ein Berg der Gnade.


P. Bernward Deneke


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