Eine weithin leuchtende Gottesburg ist dieser Pelagiberg im Kanton Thurgau. Entfernt von Städten und Dörfern stehen Kirche, Pfarrhaus und Kurhaus nebeneinander auf dem grünen Hügel, von Bischofszell eine Stunde, von St. Gallen, Gossau, Romanshorn je zwei Stunden (zu Fuß) entfernt. Wundervoll ist es hier oben, wenn ringsum im Land die Bäume blühen oder wenn sie in den Herbstfarben leuchten und draußen im weiten Bodensee sich der Himmel spiegelt.
Der herrliche Aussichtspunkt war schon im 9. Jahrhundert dem Bischof von Konstanz, Salomon III., dessen Stammschloß Ramswag in der Nähe lag, bekannt. Aller Wahrschenlichkeit nach hat er die erste Kapelle auf Pelagiberg erbaut. Überlieferung und älteste Urkunden sprechen von einer Muttergotteskapelle.
Dieser hochangesehene Bischof von Konstanz und zugleich Abt von St. Gallen und Reichenau war ein Fürst im besten Sinne des Wortes. Von einer Romwallfahrt brachte er auch eine Reliquie des jugendlichen Märtyrers Pelagius in seine Heimat zurück. Letzere schenkte er der Kirche von Bischofszell, wo er sich oft aufhielt. In einer großen Not, aus welcher ihn der heilige Pelagius befreite, weihte er die Kirche diesem jungen Märtyrer. Seine Gründung erhielt den Namen Pelagistift. Die ganze Umgebung gehörte zu diesem Stift und hieß im Volksmund nach und nach Pelagiberg.
Schon in der ersten Kapelle von Pelagiberg wurde ein Gnadenbild der Muttergottes verehrt. Bis zum 15. Jahrhundert stand die stark gemauerte Kapelle,den Stürmen zum Trotz, auf dem Berg. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts baute man eine größere Kapelle. Die alte Kapelle diente als Chor. In der neuen Kapelle wurde ein Seitenaltar zu Ehren der allerseligsten Jungfrau geweiht und das Gnadenbild darüber angebracht. Die Weihe fand 1487 statt. Es ist wohl anzunehmen, daß Bruder Klaus im Ranft, der einst als Soldat und Rottmeister mit den Eidgenossen in den Thurgau gezogen war, vernommen hat, daß Unsere Liebe Frau auf dem Pelagiberg eine neue Kapelle gebaut werde. Genau in seinem Todesjahr konnte die Kapelle von Weihbischof Daniel von Konstanz konsekriert werden.
Bald brach das Unglück der Glaubensspaltung über das Volk herein. Wie mancher pilgerte in den schweren Tagen in die einsame Kapelle zur Gnadenmutter! Später wohnten hier Waldbrüder. Es wurde am Chor der Kapelle eine kleine Hütte angebaut. Diese Einsiedler hielten Ordnung im Wallfahrtskirchlein und beteten mit den Pilgern und für die Pilger. 1852 wurde ein Pfrundhaus gebaut und ein Priester als beständiger Benefiziat berufen. Seither ist Pelagiberg zur eigentlichen Wallfahrtsstätte aufgeblüht.
Ein Tag der Wehmut und Hoffnung zugleich war der Siebenschmerzenfreitag 1888. Es war der letzte feierliche Gottesdienst in der seit 1487 bestehenden Kapelle. Das Gnadenbild wurde in feierlicher Prozession ins Pfrundhaus getragen und bis zur Vollendung der neu gebauten Kirche dort Gottesdienst gehalten. Schon am 30. Juni 1889 konnte der Neubau benediziert werden. Und an Maria Heimsuchung, dem 2. Juli, wurde das erste Marienfest in der neuen Kirche gefeiert. Am 18. Juli 1890 kam der Bischof Leonhard von Basel zur feierlichen Weihe nach Pelagiberg.
Gnadenbild und Wallfahrtstage
Bei der Madonna von Pelagiberg handelt es sich nicht um eine Nachbildung von Einsiedeln, da sie nach Ansicht der Kunsthistoriker ins 13. Jahrhundert zurückreicht, während das Einsiedler Gnadenbild aus dem 15. Jahrhundert stammt. Das Gnadenbild von Pelagiberg wurde immer verehrt bis zum 16. April 1848, als man es zur Bestürzung vieler nach dem Zeitgeschmack durch ein anderes Marienbild ersetzen ließ. Es blieb im Pfarrhaus in Bischofszell und später in der Sakristei der alten Wallfahrtskirche so lange, bis es von neuem von einem Kenner entdeckt und dann restauriert wurde. Zur Freude des Volkes grüßt es nun seit 1865 wieder die Gläubigen. Wie in Einsieden, so trägt auch diese Statue ein kostbares, gesticktes Kleid.
Einzelne Pilger, stille Beter vom nahen Kurhaus, ganze Gruppen knien immer wieder vor der wunderbaren Mutter.
Als große Wallfahrtstage werden gefeiert:
- Der Schmerzenfreitag vor Palmsonntag
- Maria Heimsuchung am 2. Juli
- Maria Himmelfahrt am 15. August
- Maria Opferung am 21. November
- Maria Unbefleckte Empfängnis am 8. Dezember
Von einzelnen auffallenden Erhörungen künden viele Votivtafeln und -zeichen, darunter auch silberne Hände, Füße, Augen, Herzen, Kindergestalten. Die ältesten Exvoto gehen auf Jahrhunderte zurück, so daß deren Holzwerk morsch geworden ist. Sie wurden in Kisten aufbewahrt. Was haben sie alles zu erzählen von Menschen, deren Sterbliches längst auch in "Staub und Asche" zerfallen ist! Im Himmel aber wird nichts "morsch", dort danken jene, die einst erhört wurden, ewig für die erhaltenen Gnaden. Es ist interessant und vertrauenerweckend, die Dankeszeichen, die man heute noch an den Wänden sieht, zu betrachten und zu lesen.
Aus: "Helvetia Mariana" von Ida Lüthold-Minder, Christiana-Verlag, Stein am Rhein, ISBN 3-7171-0746-1
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