Maria Dominika Josepha von Rottenberg (gestorben im Jahre 1738), Vorsteherin des löblichen Gotteshauses Katharinathal vom Orden des heiligen Dominikus und Verfasserin mehrerer geistreicher Schriften, bekennt von sich, daß sie unzählige geistige und leibliche Wohlthaten, insbesodere ihren geistlichen Beruf und alle hierauf erfolgten Gnaden, durch die Hände Mariens empfangen habe; darum war sie auch der heiligen Jungfrau, besonders in ihrem wunderthätigen Gnadenbilde zu Einsiedeln, vom ganzen Herzen in Dankbarkeit und Liebe zugethan.
Anna Maria Moller, 1676 zu Würzburg geboren, nahm nach dem Willen ihres Stiefvaters Adam Wolfgang von Rottenberg, ebenfalls den Namen von Rottenberg an. In ihrem sechszehnten Jahre wurde sie auf göttliche Zulassung von schrecklichen Gewissensscrupeln gefoltert. Dabei konnte das arme Mädchen es nicht über sich gewinnen, Jemanden ihr Leiden zu entdecken und bei den Menschen Hilfe zu suchen. Da warf sie sich denn einmal vor einem Bildnisse Unserer Lieben Frau von Einsiedeln nieder zum Gebete. Bei diesem mehrere Stunden fortgsetzten eifrigen Gebete kam ihr solcher Trost zu, daß sie mündlich nicht mehr beten konnte, sondern in himmlischer Süßigkeit versenkt blieb, wobei jedoch wunderbarer Weise zugleich auch jene innerliche Plage anhielt. Aber eben dieses schwere Anliegen gab den ersten Anlaß zu ihrem geistigen Berufe, da ihr beifiel, sie könne von so großer Pein nicht anders, als durch ein strenges Ordensleben befreit werden. Die Dienerin Gottes bekannte später selbst, daß sie in ihren jungen Jahren ein sehr eitles Weltkind gewesen, welches auf keine andere Weise, als durch eine solche innerliche Plage zum Entschlusse für ein geistliches Leben gebracht werden konnte.
Diesem ihrem Entschlusse, in ein Kloster mit strenger Clausur zu treten, stimmte aber ihr Vater nicht bei; er wollte ihrem geistlichen Berufe zwar nicht hinderlich sein, war aber nur für ein Kloster ohne Clausur und von milderer Observanz. Acht bis neun Klöster wurden in Vorschlag gebracht, jedoch für keines aus ihnen konnte sich Anna Maria entschließen, weil sie darin ihr Ziel nicht zu erreichen glaubte. Daraus entstand nun zwischen den Eltern und der Tochter große Mißstimmung; der Vater besoders ward durch Mariens Beharrlichket, die er für Eigensinn erklärte, sehr aufgebracht und versagte ihr alle fernere Hilfe. Zwei volle Jahre verflossen so für sie in großen Leiden, sowohl innerlichen als äußerlichen, da einerseits jene Gewissenangst sich nicht verlieren wollte, anderseits ihr geistliches Vorhaben sich gänzlich als unausführbar darstellte. In dieser Leidensperiode hatte sie einmal folgenden Traum: es kam ihr vor, als befände sie sich in der Gnaden-Kapelle zu Maria Einsiedeln; es zeigten sich daselbst Dominikanernonnen, die vom Altare herabstiegen, freundlichen Angesichtes sich ihr nahten und sie küßten, worauf sie verschwanden. - Nach diesem Traume fand sie den Vater zu ihrer größten Freude plötzlich und gänzlich geändert. Von freien Stücken machte er ihr den Vorschlag: sie solle eine Wallfahrt nach Einsiedeln machen und an dem marianischen Gnadenort um Erleuchtung in Betreff ihres Berufes bitten; beharrre sie nach ihrer Rückkunft noch auf ihrem Vorhaben, so wolle er ihr zu dessen Ausführung alle mögliche Hilfe gewähren. Voll Freude trat sie nun zu Fuß die Wallfahrt an. Sie empfahl der himmlischen Mutter im inbrünstigen Gebete ihre Angelegenheit und dentdeckte nach abgelegter heiliger Beicht auch dem Beichtvater ihr Vorhaben. Dieser sagte ihr, er wüßte für sie keinen tauglicheren Ort, als Katharinathal, von welchem Kloster doch vorher weder sie noch die Eltern je das Mindeste gehört hatten. Nach geendigter Wallfahrt erzählte Anna Maria den ganzen Verlauf ihrem Vater, welcher alsobald nach Katharinathal reiste, um für seine Tochter die Aufnahme nachzusuchen, die sie auch zu Jedermanns Verwunderung am St. Josephstag mit einhelligen Stimmen erhielt.
Im Monate August desselben Jahres (1694), im achtzehnten ihres Alters, trat nun Anna Maria von Rottenberg bei den Dominikanerinnen zu Katharinathal im Kloster ein. Alles, was zu erlernen war, begriff sie dermaßen schnell und glücklich, daß ihr - wider die Gewonheit des dortigen Klosters - nach drei Vierteljahren das geistliche Noviziat anzutreten gestattet war. Im ersten Jahre wurde sie von einer schweren Krankheit befallen. Am Feste der allerheiligsten Dreifaltigkeit 1695 erhielt sie das heilige Ordenskleid und mit ihm den Ordensnamen Maria Dominika.
Die kindliche Andacht und Dankbarkeit gegen die seligste Jungfrau namentlich in ihrem Gnadenbilde zu Einsiedeln, erlosch niemals mehr in dem Herzen Dominika's. Ihr ganzes Leben war eine immerwährende Liebe zu Maria, welche sie durch verschiedene Andachtsübungen ehrte, insbesondere mit eifrigster Abbetung des heiligen Rosenkrazes, den sie immerdar in Händen hatte. In dieser marianischen Liebe war sie öfters also entzündet, daß sie eine lange Zeit mehr nicht sprechen konnte, als diese zwei Worte: "Ave Maria", wobei sie den größten Herzenstrost empfand. Sehr oft schrieb sie nach dem Beispiele des heiligen Thomas von Aquin jene zwei Worte auf ein Zettelchen, und verschlang dann dieses. Die ersten Jahre ihres Klosterlebens trug sie immerdar ein kleines Bildniß der Einsiedler-Muttergottes in ihren Händen herum.
In ihrer Zelle hatte sie ebenfalls ein Bild der wunderthätigen Jungfrau von Einsiedeln. Vor diesem lag sie viele Stunden im Gebete und vergoß dabei so viele Thränen aus Reue über ihre Sünden, daß sie den Augen sehr schadete. Dreimal erblindete sie hierüber, aber allezeit erhielt sie das Augenlicht wieder durch augenscheinliche Hilfe der Gnadenmutter von Einsiedeln. Das erste Mal zeigte sich ihr Augenübel am 7. Mai, an welchem Tage das Fest der heiligen Krone Jesu Christi im Gotteshause begangen wurde. Als sie des Morgens aufstehen wollte, empfand sie sehr heftige Kopfschmerzen, wobei ihr der Gedanke kam, der Herr wolle sie vielleicht in etwas seiner schmerzhaften Krönung theilhaftig machen. Da sie aber ihr Brevier zur Hand nahm, um die Tagzeiten zu beten, konnte sie keine Buchstaben erkennen. Man berief alsobald einen wohlerfahrenen Augenarzt; dieser erklärte, auf beiden Augen sei der schwarze Star und dieser unheilbar. Es wurden zwar dessenohngeachtet allerlei Arzneimittel gebraucht, aber ohne Nutzen.
Dominika wendete sich in diesem traurigen Zustande zu ihrer Eisiedeln'schen Mutter und ließ eine Wallfahrt dorthin verrichten; sie selbst betete voll Vertrauen, legte ein Marienbild aus Stein in Wasser und wusch sich mit diesem die Augen. Ehe die abgesendete Person von der Wallfahrt zurückkam, erlangte Dominika ihr Augenlicht vollkommen wieder. Nicht lange darauf erblindete sie abermals, wobei sie sich nicht so fest über ihr Übel als vielmehr wegen der Ehre ihrer geliebtesten Einsiedeln'schen Mutter betrübte, da man vielleicht sagen oder denken würde, sie sei von ihrer Hilfe abgstanden. Diese ihre Bekümmerniß klagte sie einer Mitschwester, Fr. Maria Theresia (von Pintener), von welcher sie mit der Vorstellung getröstet wurde, Maria werde schon durch abermalige Hilfe ihre Ehre zu retten wissen. Schon früher hatten Beide davon gesprochen, wie schön und lieb es ihnen wäre, wenn im Klostergarten eine Kapelle Unserer Lieben Frau von Einsiedeln gebauet würde. Die Sache ward nun wieder besprochen; man glaubte, die Stelle unter einer Haselnußstaude wäre dazu geeignet, stellte dahin einen Tisch und setzte ein Bild Unserer Lieben Frau von Einsiedeln auf denselben. Maria Theresia betete indeß eifrigst zur heiligsten Mutter Gottes um das Gesicht ihre lieben Mitschwester und gelobte dabei, sie wolle, wenn ihr Gebet erhöret würde, bei ihrem Herrn Bruder, dem Landeshauptmann von Pintener aus Ury, zu erwirken suchen, daß er die Kapelle auf seine Kosten herstellen lasse. Bald kömmt Dominika voll Freude und sehend zu ihrer Mitschwester, um deren geheimes Versprechen sie nicht wußte; die Freude im ganzen Kloster ist allgemein und die Kapelle wird erbaut. Der ganze Verlauf ward zu Papier gebracht, und eine Abschrift davon in Gegenwart des P. Provinzials in das Fundament gelegt.
Während des Baues erblindete Dominika zum drittenmal. Als aber am Feste Kreuzerhöhung die erste heilige Messe in der Kapelle gelesen wurde, erlangte sie unter der Wandlung plötzlich das völlige Gesicht wieder in Gegenwart aller Klosterfrauen, die dann voll Freude den Ambrosianischen Lobgesang anstimmten. -
In der erstern Zeit ihres geistlichen Standes begehrte Dominika von ihrer geliebtesten Mutter zu Einsiedeln aus höherem Antrieb die Gnade der Weisheit, ohne eigentlich zu wissen, was sie hiedurch begehre. Es hat sich aber später gezeigt, daß sie solche himmlische Weisheit in der That von ihrer Einsiedeln'schen Mutter auf eine wunderbare Weise erlangt haben müsse; die geistvollen Schriften, die sie hinterlassen, geben dieses hinreichend zu erkennen. Sie selbst sagt hierüber in einer ihrer Schriften: "Ich muß meiner Einsiedeln'schen Mutter nicht nur alle zur Leibesgesundheit empfangenen großen Gnaden dankbar zuschreiben, sondern auch meine Schriften, welche an dem Einsiedelnerfeste (der sogenannten Engelweihe) ihren Anfang genommen haben, und die erste war von Maria etc." Und sie fügt hinzu: "Was ich zu allen Zeiten in leiblichen und geistlichen Sachen für ungemeine Hifle von der Einsiedeln'schen Mutter empfangen habe, wüßte ich in keine Zahl zu bringen. Niemals hat sie mich stecken lassen, und ich bin durchgehends von ihr erhört worden."
Aus: Marianischer Festkalender auf alle Tage des Jahres - Mit vielen Legenden der eifrigsten Diener und Dienerinen Mariens und der Beschreibung der berühmtesten marianischen Gnadenorte sammt täglichen Gebeten - Mit besonderer Berücksichtigung der Marienfeste und des Maimonats. - Neu bearbeitet von einem Priester der Diöcese Augsburg. Mit einem Stahlstiche und vielen Holzschnittbildern. Regensburg, 1863, Druck und Verlag von Georg Joseph Manz.
Bezüglich des Klosters St. Katharinental siehe auch:
Das Graduale von St. Katharinental
Klosterkirche St. Katharinental
Literarisches Leben in dominikanischen Frauenklöstern des 14. Jahrhunderts : das Modell St. Katharinental bei Diessenhofen
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