Im Mittelpunkt steht das Bernrainer-Kreuz, das, wie uns überliefert wird, zum Bau der Kapelle Anlass gegeben haben soll.
Die Sage vom Wunderkreuz und dem Bernrainer Kind
Die Geschichte wird in Sagenbüchern vielfach unter dem Titel: "Die Hand an Christi Nase", "Die Hand am Cruzifix", "Herrgott lass dich schneuzen", "Das Kruzifix von Bernrain", "Bernrainer Kind", "Denkmal einer Lästerung", "Wie die Kirche in Emmishofen entstand", erzählt. Grundgedanke ist, dass Freveltaten meist auf der Stelle wunderbar von der beleidigten Gewalt selbst meist hart bestraft werden. Die Bernrainer Geschichte ist wohl die einzige im Bodenseeraum, welche personifiziert, lokalisiert und sogar datiert ist. Die Überlieferung dürfte in der heutigen, verständlichen Fassung etwa so lauten:
In der Konstanzer Vorstadt Stadelhofen lebte einst ein richtiger Lausbub mit Namen Schappeler, der seiner armen Mutter viel Kummer und Sorgen beeitete. Daheim war er zu ordentlichen Arbeiten kaum zu gebrauchen. Die Mutter schickte ihn deshalb öfters in den Wald oberhalb Kreuzlingen-Emmishofen, um Holz für den Winter zu sammeln. Eine solche Beschäftigung sagte dem Tunichtgut ganz besonders zu, konnte er dabei doch nach Herzenslust im Wald von Schwaderloh herumstrolchen. Einmal, es soll am Tag der Heiligen Agnes, am 21. Januar 1384 gewesen sein, kamen Schappeler und seine Kumpanen auf ihrem Streifzug nach Bernrain. Sie warfen die gesammelten Holzbüschel zu Boden und ruhten sich beim dortigen Wegkreuz aus. Dem Schappeler wurde es schon bald zu langweilig. Das schlichte Kreuz mit der hölzernen Martergestalt des Heilands unter dem schützenden Dächlein hatte es ihm angetan. Er stellte sich vor das Kruzifix, griff dem Christusbild an die Nase, die ob der winterlichen Nässe einen Tropfen hangen hatte, und rief übermütig: "So Herrgott, lass dich einmal schneuzen, dann küss ich dich lieber!" Nach dieser Verhöhnung wurde er plötzlich bleich. Die andern Buben sahen, wie sich der Schappeler wand und alles versuchte, um seine Hand von der Nase loszubringen, was ihm aber nicht gelang. Voller Schreck rannten sie nach Konstanz zurück und erzählten aufgeregt, was beim Bernrainer Kruzifix geschehen sei. Schon bald bewegte sich eine Prozession mit Konstanzer Geistlichen und vielen Leuten vom Stadttor hinauf nach Bernrain. Als die Mutter ihren Buben so sah, kniete sie nieder und rief die Hilfe des lieben Gottes und der Mutter Maria an und versprach sieben Wallfahrten nach Einsiedeln. Plötzlich löste sich die Hand des Frevlers vom Kruzifix und alle waren von Freude und Dankbarkeit erfüllt. Diese eindrückliche Warnung, die dem Schappeler widerfahren war, besserte ihn nicht. Zwei Jahre später ließ ihm der Konstanzer Rat wegen Messerstecherei die Zunge herausschneiden und verbannte ihn auf Lebzeit aus der Stadt. Seit dieser Zeit nennt man einen ungeratenen Burschen "Bernrainer Kind".
Mittelpunkt der Bernrainer Kapelle und der Wallfahrt ist und bleibt das "Wunderkreuz", wie es von jeher benannt wird. Das Kreuz, an dem nach der Überlieferung der Frevel geschah, steht auf dem Tabernakel des Hochaltars. An dem 85 cm hohen Holzschaft hängt ein unproportionaler, 52 cm großer Christuskörper, dessen Haupt durch die Dornenkrone niedergedrückt wird. Die Arme, Spannweite 48,5 cm, scheinen zu lange und die Beine zu kurz geraten zu sein. Der Lendenschurz ist hell mit blauem Futter gemalt. Die Füße werden von einem Nagel gehalten, während das Fußbrett fehlt. Das Gesicht gibt die Ruhe nach überstandenem Todeskampf wieder.
Aus: Guido Nünlist, "Wallfahrtskapelle Heiligkreuz auf Bernrain - Eines der ältesten Bauwerke der Stadt Kreuzlingen".
Die 78-seitige, reich bebilderte Broschüre von Guido Nünlist, gedruckt 1988, kann zum Preis von CHF 15.-- bezogen werden beim Herausgeber: Guido Nünlist, Ribistrasse 29, CH-8280 Kreuzlingen oder beim Katholischen Pfarramt St. Stephan, Bernrainstrasse 8, 8280 Kreuzlingen.
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