Der Name Herrgottswald
Einleitung und Einführung in die damalige Zeit
Der Wallfahrtsort Hergiswald liegt auf einer Bergesanhöhe am nordwestlichen Abhang des Pilatusberges, 2562 Fuss (793 m) über der Meeresfläche, 2 Stunden von der Stadt Luzern entfernt.
Ursprünglich hieß dieser Ort, ein Wald von einigen Stunden im Umfange, Herigerwald, dann Hergiswald und erhielt diesen Namen von einem Edlen Heriger, welcher Name ursprünglich zuerst im Jahre 845 vorkommt, aus welchem Jahre eine alte Urkunde meldet, daß Heriger seine Güter in Malters dem Stifte im Hof vergabte (Cys.; Balthasar, Hist.-top. Merkw. IV, 379, und Geschichtsfreund I, 157.)
Gehen wir noch einige Jahrhunderte weiter zurück, so läßt sich vom Herrgottswald der Ursprung wissenschaftlich-historisch wie folgt erklären.
Als am Ende des fünften Jahrhunderts (490-500) die Franken, die damals in der heutigen Schweiz ansäßigen Alemannen (im heutigen Kanton Luzern wohnten Alemannen) und Burgundionen, noch heidnische und halbwilde Völkerschaften, besiegt und unterjocht hatten, verteilten sie das eroberte Laynd samt dessen Bewohner unter sich. - Die Unterjochten wurden Leibeigene ohne Grundbesitz. So schied sich das sämtliche Volk in Freie, Abkömmlinge der Sieger, und in Leibeigene, die unterjochten Einwohner. Besonders die Anführer der Sieger, Edle (Ritter) genannt, erhielten von den fränkischen Königen oft große Ländereien, Güter, Höfe und Wälder als Eigentum zur Belohnung ihrer bewiesenen Tapferkeit und Tüchtigkeit. Die Wälder im Gebirge hießen meistens Hochwald; die Ländereien im Tale Allmend. Diese Edlen überließen dann die meisten dieser Höfe und Wälder wieder den Einwohnern als Lehen gegen einen Lehenzins. Auf solche Weise erhielt auch ein gewisser Heriger die heutige Gegend von Malters und den, wie es in den Urkunden heißt (Cys.), "ungeheuren" Wald von Malters über Schwarzenberg bis ins Eigental und gegen Kriens und der heutigen Schwändi und dem Schattberg entlang bis gegen Ennethorw und Hergiswil reichend, zwischen welch letzterem und Ennethorw 1380 eine Marchung stattfand (Dr. Kasimir Pfyffer, Geschichte des Kantons Luzern I, S. 10.), ganz oder teilweise. Dieser Heriger oder einer seiner Nachfolger überließ diesen Wald wahrscheinlich gegen eine gewisse Abgabe den Bewohnern der heutigen Gemeinden Malters, Luzern, Horw und Kriens zur Benutzung, welchen Wald dann später diese Heriger den genannten Gemeinden, sei es durch Schenkung oder Verkauf, als Eigentum abtraten, und der nun als ein sogenannter Freiwald von diesen Gemeinden bis 1588 gemeinsam benutzt wurde (Balthasar). In diesem Jahre wurde der ganze Hochwald behufs zweckmässiger Benutzung des Weidganges und Holzfällens ausgemarcht und jeder der Gemeinden, nämlich Horw, Kriens, Malters und Luzern, ein bestimmter Teil zur ausschließlichen Benutzung und Bewirtschaftung zugewiesen.
Bald nach dem Eintritt der Franken in unser Land kam durch dieselben auch das Christentum in dasselbe, welches dann besonders vom 9. bis ins 12. Jahrhundert durch Missionäre und Einsiedler verbreitet und gelehrt wurde. So verkündete der hl. Beat in der Gegend der heutigen Kantone Aargau, Luzern und Unterwalden die Lehre des Christentums, zog dann über den Brünig, wohnte längere Zeit in der Nähe des heutigen Interlaken in einer Höhle, wo er auch gestorben ist (Gelpke, Kirchengeschichte der Schweiz, S. 222.), während schon 200 Jahre vorher ein hl. Kolumban und hl. Gallus am Bodensee und in der Gegend des heutigen St. Gallen das Christentum gelehrt und verbreitet hatten. Als dann so die Lehre und Gnade der christlichen Religion das damalige urkäftige Volk in unserem Lande kräftig ergriffen und durchdrungen hatte, zeigte sich auch bei uns die nämliche Erscheinung, wie einige Jahrhunderte vorher in andern Ländern und Erdteilen, nämlich das Einsiedler- und Eremitenleben, indem viele, von heiligem Eifer für Gott und ihr Seelenheil ergriffen, von der Welt an einsame Orte sich zurückzogen, um da ein beschauliches, gottgeweihtes Leben zu führen. Ich erinnere da nur an den hl. Meinrad um die Mitte des 9. Jahrhunderts und an viele andere, die hochachtbar sind, und sich große Verdienste erworben haben. Es ist geschichtliche Tatsache, daß viele wilde Gegegenden ihre erste Kultur solchen Einsiedlern verdanken. So entstunden dann vielerorts aus solchen Einsiedler-Wohnungen Klöster und um dieselben im Laufe der Zeit Flecken und Städte, z.B. Einsiedeln, St. Gallen usw. Von Frankreich schreibt Montalembert (Mönche des Abendlandes), daß drei Achtel aller Städte und Burgflecken in Frankreich auf diese Weise, d.h. aus Einsiedeleien und klösterlichen Instituten entstanden seien. Ganz besoners zahlreich lebten nun solche Einsiedler, und an einigen Orten auch Einsiedlerinnen, zur Zeit, aus welcher unser Wallfahrtsort seinen Ursprung und Anfang herleitet, nämlich im 14. und 15. Jahrhundert, und da wieder speziell besonders zahlreich um den Vierwaldstättersee herum (Cys., Lac. Lucern.), z.B. in Luzern selbst, wo in der Nähe des Hofes und im Obergrund sich eine Klause befand; dann lebten in der Mitte des 15. Jahrhunderts im Langacher bei Horw die Brüder Walther, Werndli, Konrad, welch letzterer in Horw einige Zeit den Sigristdienst versah, und auf der entgegengesetzten Seite von Horw bei Ennethorw wohnten in einem Hause, das ihnen eine gottesfürchtige Matrone Hemma geschenkt hatte, in einer Art klösterlicher Gemeinsamkeit Einsiedlerinnen, von denen uns das Jahrzeitbuch von Horw einige Namen nennt, z.B. Schwester Margaretha 1460, Richenza usw. Diese zogen später ins Reitholz an der Reuß, Gemeinde Ebikon, und waren die Veranlassung zur spätern Gründung des Klosters Rathausen (Geschichtsfreund II, 10, und XVII, 63). Im Unterwaldnerlande resp. Obwalden lebten zur gleichen Zeit als Eremiten der berühmte sel. Niklaus von der Flüe und nicht weit von ihm Bruder Uldarich im Möslin und Konrad Scheuber. Es gab also besonders im 15. Jahrhundert viele Eremiten inider Nähe und um den großen Hergiswald herum. Von diesen Einsiedlern sagt selbst der protestantische Geschichtsschreiber Stumpf (Stumpf, Hist. Helv., Lib. VII, cap. V, handelnd vom Pilatusberge: "Es haben auch bisweilen um diesen Berg Waldbrüder gewohnt und ihre Zellen in der Ebene dabei gehabt."), daß sie "mit Predigen, Lehren, Beten und bußfertigem ernstem Leben der Welt vorgeleuchtet, woraus erfolgt sei, daß das helvetische Landvolk vor allen andern Völkern mehr Liebe und Achtung auf solche Einsiedler gehabt und deshalb selbigen allezeit ganz geneigt undergeben gewesen sei". Und wie sehr nach der fränkischen Herrschaft unter österreichischer Herrschaft in unserm Lande die österreichischen Herzoge diese Einsiedler schätzten und schützten, geht aus einer Verordnung von Herzog Albrecht, den 27. Juli 1354, sodann aus einer Verordnung von Herzog Rudolf, den 26. März 1361, und endlich aus einer Verordnung von Herzog Leopold, den 16. Dezember 1374, genugsam hervor (Geschichtsfreund XVI, 293). Wie man nun anderwärts solche Wälder, in denen oder deren Nähe sich solche Einsiedler oder Waldbrüder aufhielten, Bruderwälder nannte (Kuhn, Thurgov. sacr.), so mag man aus gleichem Grunde damals schon den Namen Hergiswald hie und da in "Hergotzwalt" oder wie es in andern Urkunden steht, auch in "Heilgliswald" ("Heilgliswalt" wird z.B. der Ort in jener auf dem Stadtarchive aufbewahrten alten Urkunde genannt, welche bekundet, daß der Generalvikar des Bischofs von Konstanz am 15. Oktober 1501 gestattet habe, im Heilgliswald eine Kapelle mit einem Altare zu erbauen.) umgetauft haben. Tatsächlich kommt der Namen "Hergotswalt" schon im Jahre 1418 im Rats-Protokoll III, 48, b, und in andern Akten (Cys. und Jahrbuch für Schweizer Geschichte I, 26.) vor, und es ist also die Annahme nicht richtig, daß der Name Herrgottswald erst mit der Erbauung einer Kapelle entstanden sei, wie Balthasar und ihm nach Schneller und Dr. Kasimir Pfyffer und auch andere unrichtig annehmen, denn die erste Benennung "Hergotzwald" geht zirka hundert Jahre weiter zurück. Mit der Erbauung der Kapelle wurde der Name Herrgottswald allmählich allgemein gebräuchlich und verschwand der Name Hergiswald zuletzt auf Jahrhunderte, während einige Zeit vorher beide Schreibarten, wie in neuester Zeit wieder, neben einander bestunden.
Ein altes Gedicht, welches der Verfasser dieser Schrift in einem Archive aufgefunden, meint poetisch: Gottes schöne Natur und herrliche Aussicht auf dieser Alpenhöhe habe dem Orte den Namen "Herrgottswald" gegeben. Von diesem Gedichte hier nur einige Verse, welche die herrliche Lage dieses Ortes beschreiben:
O herrlichste der schönen Heiden,
Wo Schweizerherden glücklich weiden.
Wie Gottes Berge dich umstehen,
Sich bis zum Himmel auferhöhen!
Ihr alten Vaterlandskolossen,
Die aus des Vaters Hand entsprossen,
Die nie des Künstlers Hand berührt,
Noch Menschenhochmut aufgeführt.
Wie kann man noch in Städten leben,
Wo Mode die Natur verbannt,
Wo wahre Schönheit unbekannt?
Hier blühen kunstlos Gottes Gaben,
Die Städte stets verstellet haben.
Hier ist die Einfalt der Natur
Wie diese Bergluft frisch und pur.
Welch einen Duft aus Zephirs Flügeln
Fühl' ich von jenen nahen Hügeln,
Wo in dem alten Dunkelgrün
Der Tannen frische Blumen blüh'n.
Sieh' dort ein Schifflein Fluten teilen
Und nach bestimmtem Ufer eilen.
Ein neues Wunder Gottes steht,
Wo sich ein volles Aug' hindreht.
Kurz, hier auf diesen hohen Auen
Läßt sich ein Paradies beschauen,
So jener Weise schon erkannt,
Der es den Herrgotteswald genannt.
Aus: Geschichte und Beschreibung der Wallfahrtskirche Hergiswald. Geschichte der Wallfahrt und Beschreibung der Kirche von Joseph Scherer, Kaplan, neu bearbeitet von Joseph Zemp, Kaplan. 1964 Schill-Druck Luzern
Freitag, August 25, 2006
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